FLUGBLATT AUS DEM ERSTEN WELTKRIEG (A.P.30.): IRRLICHT. SIEG. DEUTSCHES VOLK


Das Flugblatt zeigt den typischen deutschen Bauern, der nach einer weiblichen Gestalt greift, welche die Bezeichnungen "Irrlicht" und "Sieg" trägt. Anhand der charakteristischen Zipfelmütze lässt sich der Bauer auch als "Deutscher Michel" identifizieren. Er repräsentiert somit als nationale Personifizierung das deutsche Volk. Unablässig auf die Figur fokussiert, merkt der Bauer nicht, dass er bereits mit einem Bein in der Grube steht und kurz davor ist, hineinzufallen, weil er gleichsam "irrlichternd" nach dem Sieg strebt.

Die Abbildung nimmt Bezug auf die Situation im Juni 1918, wenige Monate vor Ende des Ersten Weltkrieges. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich längst abgezeichnet, dass ein Sieg für das Deutsche Reich nahezu aussichtslos war. Die deutsche Regierung sowie die Militärführung jedoch hatten die Hoffnung auf ein erfolgreiches Kriegsende noch nicht aufgegeben und strebten ungeachtet der sich zunehmend prekärer gestaltenden Lage weiter nach dem Sieg. Der Krieg endete im November 1918 schließlich mit einer militärischen Niederlage des Deutschen Reichs und seines Bündnispartners Österreich-Ungarn.

Das Flugblatt wurde ab Juni 1918 von Soldaten Großbritanniens aus Ballons über dem deutschen Reichsgebiet abgeworfen. Es misst im Original 27 x 22 cm. Die Karikatur wurde von Leutnant MacClure im Auftrag von Captain Mitchell angefertigt.

Das abgebildete Exemplar stammt aus dem Bestand des Jenaer Kriegsarchivs. Nachdem an der Universität Jena seit Kriegsbeginn im August 1914 zunächst Kriegsnachrichten aus in- und ausländischen Zeitungen gesammelt wurden, fungierte die Hochschule seit Oktober 1914 neben den Universitäten Göttingen und Marburg als eine von drei offiziellen deutschen "Kriegsnachrichten-Sammelstellen". Seit 1915 etablierte sich die Bezeichnung "Kriegsarchiv". Während der Kriegszeit wuchsen die Jenaer Sammlungen kontinuierlich. Bis 1919 hatten sich rund 12.600 Bücher, ca. 700 Zeitschriften, 525 Kriegszeitungen, 2.000 Ansichtskarten, 650 Fotos, 400 statistische Tafeln sowie rund 11.000 Plakate angesammelt. Nach Kriegsende reduzierte sich das Sammelspektrum des Archivs beträchtlich. Es wurden seitdem nur noch Bücher, die sich mit dem Krieg oder der Revolution befassten, aufgenommen. Die Bestände waren zunächst im Haus der Landsmannschaft "Rhenania" untergebracht. Erst im März 1919 zog das Archiv in das Gebäude der Universitätsbibliothek um und wurde 1922 deren Eigentum.

Am 9. Februar 1945 wurde das Gebäude der Jenaer Universitätsbibliothek durch einen Bombeneinschlag zerstört. Bei diesem Ereignis nahm auch das Kriegsarchiv großen Schaden. Eine nochmals starke Dezimierung erfuhren die Archivbestände in den ersten Nachkriegsjahren. Wie auch andere wissenschaftliche Bibliotheken in der Sowjetischen Besatzungszone wurde die Universitätsbibliothek Jena auf Anweisung der Sowjetischen Militäradministration verpflichtet, sämtliches Schrifttum, welches nazistische, militaristische oder imperialistische Tendenzen enthielt, auszusondern. Die übrig gebliebenen Bücher, Zeitschriften und Kleinschriften des Kriegsarchivs befinden sich heute in den Magazinen der ThULB (Signatur "K.A.") und können nach den üblichen Regularien benutzt werden.

Erhaltene Dokumente aus dem Vorstand und der Verwaltung des Kriegsarchivs (z. B. Satzungen, Richtlinienentwürfe und Korrespondenzen) wurden bereits digitalisiert und sind über die Universal Multimedia Electronic Library (UrMEL) verfügbar.

Weitere Informationen zum Jenaer Kriegsarchiv finden Sie unter www.kriegssammlungen.de.

Signatur: Kriegsarchiv, KA 3

Ansprechpartnerin: Angela Hammer

LITERATUR
Kirchner, Klaus (Hg.): Flugblatt-Propaganda im 1. Weltkrieg. Flugblätter aus England 1914-1918, Erlangen 1985, S. 506.

Ott, Joachim: Das Jenaer Kriegsarchiv, in: Gaertringen, Julia Freifrau Hiller von (Hg.): Kriegssammlungen 1914-1918, Frankfurt/Main 2014 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; Sonderbd. 114), S. 279-295.