KURT TUCHOLSKYS JENAER DISSERTATION


Der sich am 21. Dezember zum 80. Mal jährende Todestag und das gleichzeitige 100jährige Promotionsjubiläum bieten Gelegenheit, sich mit dem wenig bekannten akademischen Wirken des bekannten Journalisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky in Jena näher zu beschäftigen.

Aus durchaus wohlhabendem Elternhaus stammend - sein Vater, ein Bankkaufmann, verstarb früh - konnte sich der 1890 geborene Tucholsky mit Hilfe eines Privatlehrers auf die Abiturprüfung vorbereiten. 1909 bestand er die Reifeprüfung und begann noch im Herbst desselben Jahres das Studium der Rechtswissenschaft in Berlin. Im zweiten Semester wechselte er an die Universität Genf und beendete seine Studien im Jahre 1913 in Berlin. Gegen Ende des Studiums schon sehr stark journalistisch engagiert, verzichtete Tucholsky darauf, die erste juristische Staatsprüfung abzulegen.

Für seine berufliche Zukunft setzte er somit alles auf eine Karte: Denn ohne Staatsexamen waren ihm die originären juristischen Berufe verschlossen, musste er auf eine früher einmal in Aussicht genommene Karriere als Anwalt verzichten. Viel schlimmer noch: Nach heutigen Maßstäben ist er ein Studienabbrecher, steht also ohne Abschluss da.

Im aus Berliner Warte weit entfernten Jena bot sich schließlich die Chance, über eine Promotion dann doch zu einem akademischen Abschluss zu gelangen. Dass man es an der Hohen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Großherzoglich und Herzoglich Sächsischen Gesamtuniversität Jena mit den Hürden für eine Promotion dabei nicht so eng sah und diese auch ohne bestandenes juristisches Staatsexamen ermöglichte, kam Tucholsky dabei gelegen.

Auch sonst legte ihm die Universität zunächst keine Steine in den Weg. Als Externer musste er nicht nach Jena ziehen, konnte die Arbeit in Berlin schreiben und dann an der Universität einreichen.

Doch der erste Versuch scheiterte. Im Januar 1914 reichte Tucholsky die hypothekenrechtliche Arbeit mit dem Titel "Die Vormerkung aus § 1179 BGB und ihre Wirkungen" bei Prof. Heinrich Lehmann, später mehrmaliger Dekan und Rektor der Universität Köln, ein. Nach eingehender Prüfung wurde die Arbeit für ungenügend erachtet - Tucholsky musste nachbessern. Und was viel schmerzlicher war: Die Prüfungsgebühr von 350 Mark ist verloren.

Schließlich gelang die Promotion dann doch mit einer verbesserten Arbeit. Sicherlich hat neben der nun gründlicheren Bearbeitung des Themas auch geholfen, dass Tucholsky mit dem nötigen Feingefühl gegenüber seinem Doktorvater bereits auf Seite zwei der Arbeit schreibt, "Im wesentlichen soll für die Methodik dieser Arbeit das Geltung haben, was Lehmann einmal ausgesprochen hat: […]".

Und so erschien Tucholsky am 19. November 1914 zur mündlichen Prüfung in Jena. Der Prüfungskommission gehörten neben Dekan Niedner die Professoren Lehmann, Rauch und Rosenthal, letzterer bekannt als "Vater der Thüringer Verfassung", an. Ab 17:00 Uhr stellte sich der Promovend allen Fragen und konnte am Ende ein "cum laude" für sich verbuchen.

Letzter Akt, nach Druck und Abgabe der Pflichtexemplare, war die Ausfertigung der Promotionsurkunde. So wurde am 12. Februar 1915 aus dem 25-jährigen Kurt Tucholsky ganz offiziell ein "Dr. jur. utr."

Ansprechpartner: Thomas Witzgall

LITERATUR:
Miederhoff, Thorsten: Man erspare es mir, mein Juristenherz auszuschütten : Dr. iur. Kurt Tucholsky (1890 - 1935) ; sein juristischer Werdegang und seine Auseinandersetzung mit der Weimarer Strafrechtsreformdebatte am Beispiel der Rechtsprechung durch Laienrichter, Lang 2008.

Heydrich, Harald: "... mit dem Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung" : Kurt Tucholskys Jenaer Doktorarbeit, in: Dichterwege nach Jena : eine literarische Spurensuche in drei Jahrhunderten, Bucha 2012.