SCHWEIN GEHABT


Im Jahr 1858 entdeckte Johann Drehmann bei Steinbrucharbeiten nahe Greußen einen ganz besonderen Fund: Ein tierförmiges Gefäß in Gestalt eines Ebers. Es war zusammen mit 5 weiteren Gefäßen - davon mindestens ein weiteres zoomorphes - deponiert worden. Nachdem er auf den Fund aufmerksam wurde, begab sich der Kunsthistoriker Friedrich Klopfleisch, seinerseits Begründer der Jenaer Ur- und Frühgeschichtsforschung, zum Fundort und widmete sich den gefundenen Objekten. Handschriftlich hielt er einige Eckdaten fest. Nach seinen Angaben lag das Ebergefäß zusammen mit den anderen Behältnissen, Knochenartenfakten und einem menschlichen Schädel  in einer Art Schacht im plattigen Muschelkalk. Die Funde seien mit einer Schicht aus Süßwasserkalk überdeckt gewesen. Zur weiteren Untersuchung nahm F. Klopfleisch die Objekte in seine Privatsammlung in Jena auf, bevor er sie 1863 im "Germanischen Museum" der Öffentlichkeit zugänglich machte. Das zoomorphe Gefäß ist durch einen hohlen, eifömigen Körper charakterisiert. Der plastisch ausgeformte Kopf wird durch Rüssel mit Maulschlitz und Nasenlöchern angedeutet. Zwei runde Bronzeblechbuckelchen schmücken die Augen. Auf dem Rücken symbolisiert eine schräg gekerbte Leiste den Kamm des Tieres. Etwa in der Mitte ist hier eine runde, trichterförmige Öffnung herausgearbeitet. Am Ende des Körpers befindet sich ein kleines Schwänzchen. Die Füßchen des Gefäßes sind gekerbt, sie stellen die Klauen des Tieres dar. Die Farbe der Gefäßoberfläche variiert von glänzend hellbraun bis schwarz, auf ihr zeigen sich einige Durchlochungen. Das Objekt wird über Beifunde in die Römische Kaiserzeit (Stufe C1 nach H.J. Eggers) datiert. Das entspricht in absoluten Zahlen dem Zeitraum 150 n. Chr. -  200 n. Chr. Vergleichsfunde deuten unter anderem auf eine Verwendung als Urne hin. Leider lässt sich bei unserem Gefäß sein ursprünglicher Zweck wegen des unsicheren Fundkontextes nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Ungeachtet dessen ist aber eine vorsichtige Ansprache als Gefäß im Rahmen einer rituellen Handlung naheliegend.

"Das Schweinchen" und viele weitere herausragende Funde aus der Ur- und Frühgeschichtlichen Sammlung sind anlässlich ihres 150jährigen Bestehens im Ausstellungskabinett (Raum 025) des Universitätshauptgebäudes vom 27.11.2014 bis 28.02.2015 in der Ausstellung "KulturFluss - Archäologie des Mittleren Saaletals" zu sehen.

Literatur:
Th. Engelmann, Eine formenkundliche Untersuchung von Kultgefäßen der römischen Kaiserzeit im Thüringer Becken (Jena ungedr. Bachelorarbeit 2013). 

G. Neumann, Der germanische Kultfund von Greußen, Lkr. Sondershausen, Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 41/42, 1958, S. 486-496.

Ann-Cathrin Schüler und Maximilian Mewes B.A.