VON JENA NACH BONN – FERDINAND HODLERS MONUMENTALBILD IN DER BUNDESKUNSTHALLE


Gefeiert, verfemt, vernagelt, befreit, verfrachtet, verhüllt und wieder enthüllt. Mit dieser wechselhaften Geschichte sieht sich jeder konfrontiert, der sich mit dem monumentalen Wandbild Der Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813 beschäftigt. Geschaffen wurde es von Ferdinand Hodler anlässlich des 350. Universitätsjubiläums für das von Theodor Fischer 1908 fertiggestellte neue Universitätsgebäude. Bereits von Zeitgenossen als „[e]ine ganz eigenartige Auffassung“ der Bildumsetzung für ein Ereignis angesehen, das tief im historischen Gedächtnis verankert den Beginn des Kampfes gegen Napoleons Truppen markierte, der schließlich zum Ende der französischen Herrschaft über Teile Deutschlands führte, wurde das Historienbild im historischen und universitätsgeschichtlichen Verlauf zu einem der bedeutendsten, aber auch kontrovers diskutierten Objekte unter den Kunstwerken der Universität Jena. 

 

Dem Besucher begegnet das Historienbild seit den 1950er Jahren an der Stirnwand der Aula der Universität Jena.
Die in zwei Register unterteilte Darstellung zeigt im oberen Abschnitt nach links aus dem Bild marschierende Kolonnen, während in der unteren Bildhälfte junge Männer in expressiven Gesten und Körperhaltungen zu sehen sind, die sich als Individuen auf den Auszug in den Kampf vorbereiten. Dabei fallen besonders zwei Figuren ins Auge: Der sogenannte Rockanzieher, der (noch) seine Zivilkleidung trägt und der Rufer, der sich aus dem Bild heraus an einen imaginären Betrachter zu wenden scheint. 
Bereits Theodor Fischer erkannte in der bildlichen Darstellung die „stark architektonischen und rhythmisch-musischen Momente“, die Hodlers Abstimmung zwischen seinem Bild und dem baulichen Umfeld kennzeichnet. Das Leinwandbild Der Auszug deutscher Studenten hatte ursprünglich einen völlig anderen Anbringungsort im Universitätsgebäude: Gemäß der Auftragsvorgaben entwarf Hodler das Bild für die Südwand des Korridors im Ostflügel, wo es wandfüllend und ebenerdig angebracht sowie links von großen Rundbogenfenstern sowie rechts von einer Holztreppe flankiert wurde.
Dort wurde das Gemälde 1914 durch eine Bretterwand verschlossen. Als bekannt wurde, dass auch Ferdinand Hodler das Genfer Manifest unterzeichnet hatte, das Kriegsverbrechen an französischen Kunstwerken, genauer die Beschießung der Reimser Kathedrale durch deutsche Truppen verurteilt, waren der Maler und sein Werk verbalen Angriffen und Verunglimpfungen ausgesetzt; man forderte die Abnahme, sogar den Verkauf des Bildes. 

Um das öffentlich zugängliche Hodler-Gemälde vor Übergriffen zu schützen, beschließt der Senat der Universität, das Bild in „Schutzhaft“ zu nehmen und es unter einer Bretterwand zu verbergen. Nach der „Befreiung“ und der Magazinierung des Bildes während des Zweiten Weltkrieges wird es 1954 in die Aulawand eingebaut; nur gelegentlich durch einen schweren Vorhang verdeckt.

Es ist eine kleine Sensation, dass nach mehr als 60 Jahren nun erstmals wieder die Gelegenheit besteht, das monumentale Gemälde in einem neuen Kontext zu betrachten: Nach notwendiger Konservierung ist Der Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813 im Rahmen der Ausstellung Ferdinand Hodler. Maler der frühen Moderne vom 8. September 2017 bis zum 28. Januar 2018 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen. 

Ferdinand Hodler: Der Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813, 1908/1909, sign. recto u.r.: F. Hodler 1909, Öl/Lw 358 x 546 cm, FSU Jena, Kustodie, Universitätshauptgebäude, Aula, InvNr. M 124.

Dr. Babett Forster