ANKUNFT DES NEU BERUFENEN GESCHICHTSPROFESSORS AM 26. MAI 1789


Im Frühjahr 1908 erhielt der Maler Erich Kuithan von einer Vereinigung ehemaliger Studenten den Auftrag, für das durch den Architekten Theodor Fischer errichtete und zum 350. Universitätsjubiläum eröffnete Universitätshauptgebäude eines von insgesamt fünf Historienbilder anzufertigen. Jedes dieser Gemälde sollte ein bedeutendes Ereignis der Universitätsgeschichte abbilden: Erich Kuithan bekam für sein Werk die Antrittsvorlesung Friedrich Schillers am 26. Mai 1789 als Thema.

Bei der Umsetzung des Themas entschied sich der Maler dazu, nicht etwa eine Ansicht mit Schiller am Rednerpult und seiner Zuhörerschaft zu zeigen, sondern die Ankunft des neu berufenen Geschichtsprofessors am Auditorium. Damals war der Andrang an Studenten so groß, dass man vom anfänglich, angeblich aus Bescheidenheit Schillers, gewählten Rheinholdschen Hörsaal in das Auditorium Johann Jakob Griesbachs wechseln musste: den zu dieser Zeit größten Hörsaal Jenas. Vor dem Hintergrund des Griesbachschen Hauses am Löbdergraben ist eine Gruppe Studenten dargestellt mit dem weit ausschreitenden Schiller an ihrem hinteren Ende.

Kuithan versuchte in seinen insgesamt vier Entwürfen sowohl den eigenen Ansprüchen als auch denen der Auftraggeber gerecht zu werden. Die verschiedenen Gemälde spiegeln die Entwicklung des Bildgedankens von der ersten, im Ansatz schon voll entwickelten Bildidee bis zur letzten, künstlerisch überzeugenden Version wieder. Es war für den Maler allerdings nicht einfach den Vorstellungen seiner Auftraggeber gerecht zu werden. So wurde bereits der erste Entwurf vom Geschäftsausschuss mit der Begründung abgelehnt, dass der historische Schauplatz nicht ausreichend zur Geltung komme.

Als Folge schuf Kuithan drei weitere Fassungen, von welchen zunächst auch keine auf Zustimmung stieß. Der Maler war durch die Ablehnung seines Schaffens frustriert und bat um die Einsetzung eines Schiedsgerichtes, bestehend aus Botho Graef und Herman Nohl. Beide setzten sich in den Jenaer Zeitungen für die Annahme der vierten Fassung ein. Der Geschäftsausschuss lehnte dies weiterhin ab, allerdings wurde schließlich als Kompromiss der dritte Entwurf akzeptiert. In dieser Version reduzierte Kuithan die Studentengruppe und führte das Griesbachsche Haus in voller Größe aus. Der Künstler brachte seinen Unmut über die Einmischung in seine künstlerische Entfaltung im Bild durch die Aufschrift „propter pect“ (propter pecuniam = des Geldes wegen) auf einem am Boden liegenden Kollegienheft zum Ausdruck. 

Erich Kuithan: Schiller auf dem Weg zu seiner Antrittsvorlesung, 1909/10
3. Fassung
Öl auf Leinwand 160,1 x 201,4 cm
FSU Jena, Kustodie InvNr. M 80.

Das Gemälde ist nicht nur eines von wenigen erhaltenen Auftragswerken Erich Kuithans in Jena, sondern auch Zeuge der „Kunstkämpfe“ in der Universität Jena nach der Jahrhundertwende. Zu sehen ist das Werk noch bis zum 15. April 2018 im Rahmen der Ausstellung Erich Kuithan. Retrospektive zum 100. Todestag in der Kunstsammlung Jena.

Martin Schumacher, Student der Kunstgeschichte & Filmwissenschaft